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Allgemeine Informationen über Psychotherapie

Für den Laien kann es sehr schwierig sein, sich in der Fülle der existierenden Therapieverfahren zurecht zu finden. Dies ist vor allem deshalb ein Problem, weil es neben gesetzlich anerkannten und erwiesenermaßen wirksamen Therapieverfahren auch eine große Zahl an unseriösen oder zumindest sehr zweifelhaften Angeboten gibt. Ich kann an dieser Stelle über die entsprechenden Verfahren nicht umfassend informieren. Wer sich hier hochwertig und tiefgreifend informieren will, dem sei das ausgezeichnete Buch von Jürgen Kriz empfohlen: Grundkonzepte der Psychotherapie. Im Internet findet sich bei Wikipedia hier eine gut recherchierte Übersicht.

In Kürze zusammengefasst lässt sich zum Bereich Psychotherapie das Folgende sagen: die Sachlage in Deutschland ist oberflächlich betrachtet sehr einfach. Es gibt drei Verfahrensrichtungen, die von den Krankenkassen anerkannt werden, und zwar die sogenannten “Richtlinienverfahren”

  • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
  • Analytische Psychotherapie
  • Verhaltenstherapie

Wenn Sie einen Therapeuten wählen, der eine Kassenzulassung besitzt, dann ist damit gleichzeitig gesichert, dass der betreffende Therapeut eine Ausbildung in einem der drei genannten Verfahren abgeschlossen hat. Wenn Sie einen Therapeuten gefunden haben, der keine Kassenzulassung besitzt, sondern in einer Privatpraxis arbeitet, dann wird es komplizierter. Es kann sich (wie bei mir) um einen Therapeuten mit einer anerkannten Therapieausbildung, aber ohne Kassenzulassung handeln. In diesen Fällen ist die Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen nicht ohne weiteres möglich, sondern lediglich die Abrechnung mit privaten Versicherungen. Es kann sich allerdings auch um einen Therapeuten mit einer anderen Therapieausbildung handeln, die keine gesetzliche Anerkennung besitzt und somit dem betreffenden Therapeuten rechtlich gar nicht erlaubt, den Titel “Psychotherapeut” zu führen. Manche Therapeuten tun dies – aus Unwissenheit oder mit der Absicht der Irreführung – jedoch trotzdem. Sie sollten in diesen Fällen genau prüfen, bei wem Sie sich in Behandlung begeben, denn wie oben schon angedeutet gibt es im Bereich Psychotherapie auch sehr zweifelhafte Verfahren.

Einleitend habe ich geschrieben, dass die Sachlage in Deutschland nur oberflächlich betrachtet sehr einfach ist. Geht man in die Tiefe, so offenbaren sich einige Feinheiten. Die Anerkennung der Richtlinienverfahren ist prinzipiell eher historisch begründet und erfolgte seinerzeit ohne eine wirkliche wissenschaftliche Prüfung, sondern resultierte aus den jeweiligen Interessenvertretungen, die zu dieser Zeit etwas zu sagen hatten. Auf den Punkt gebracht war die Setzung der drei genannten Verfahren als “anerkannt” somit nicht wissenschaftlich begründet, sondern lediglich Ergebnis der Frage, welche Verfahren eine starke Lobby hatten. Zwischenzeitlich wurde der “Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP)” gegründet, der zur Aufgabe hat, anhand harter wissenschaftlicher Kriterien wirklich zu prüfen, welche Therapieverfahren als anerkennenswert beurteilt werden können. Da die drei oben genannten Richtlinienverfahren gesetzlich ein “Bestandsrecht” haben, ist für sie keine Zulassung durch den WBP erforderlich. Lediglich neue Verfahren müssen sich diesem Prüfungsprozess stellen. Seit der Einsetzung des WBP haben sich verschiedene Therapieverfahren um eine wissenschaftliche Anerkennung beworben, und zwei davon haben sie auch erhalten, nämlich die:

  • systemische Therapie und die
  • wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie.

Aus Gründen der Gleichbehandlung hat der WBP auch die Richtlinienverfahren zum Gegenstand von Begutachtungen gemacht. Hierbei zeigte sich für die Verhaltenstherapie, dass die wissenschaftliche Anerkennung ohne Einschränkungen und Differenzierungen ausgesprochen werden kann. Bei den beiden anderen Richtlinienverfahren ist die Sachlage komplizierter, weil der WBP in seiner Prüfung zu der Schlussfolgerung gelangte, dass die Trennung in “Tiefenpsychologisch begründete Verfahren” und “Analytische Psychotherapie” theoretisch unbegründet erscheint, weil beide  Verfahren auf denselben theoretischen Prinzipien aufbauen. In der Gesamtschau kommt der WBP somit zu der Schlussfolgerung, die “Psychodynamische Psychotherapie” insgesamt ohne die Aufteilung in zwei unterschiedliche Verfahren (wie in den Richtlinienverfahren) als den Kriterien genügend und somit wissenschaftlich anerkennbar zu bezeichnen. Die Sachlage ist damit allerdings noch nicht erschöpfend beschrieben, weil die “Analytische Psychotherapie” (hiermit ist kurz gesagt die “klassische Psychoanalyse” gemeint) zumindest in der praktischen Vorgehensweise (z. B. auch im erforderlichen Gesamtstundenumfang) doch teilweise erheblich von anderen psychodynamischen Verfahren (wie z. B. einer tiefenpsychologischen Kurzzeittherapie) unterscheidet. Verschärft wird die Sachlage dadurch, dass gerade für dieses Langzeitverfahren (also die klassische Psychoanalyse) keine spezifischen empirischen Wirksamkeitsnachweise vorliegen. Hier steht somit in der näheren oder ferneren Zukunft noch eine weitere Klärung aus.

Eine weitere Verkomplizierung ergibt sich daraus, dass der WBP zwar die wissenschaftliche Anerkennbarkeit eines Verfahrens beurteilt, damit aber nicht automatisch die Anerkennung als durch die Krankenkassen abrechenbares Therapieverfahren verbunden ist. Die Prüfung dieser sozialrechtlichen Frage wiederum wird vom “Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)” als oberstem G­re­mium der gemeinsamen Selbst­ver­wal­tung der Ärzte, Zahn­ärzte, Psycho­the­ra­peuten, Kran­ken­häuser und Kran­ken­kassen in Deut­sch­land vorgenommen. Der G-BA interessiert sich zum Teil für dieselben Kriterien wie der WBP, aber er orientiert sich daneben auch noch an anderen Fragen (z. B. “Wie ökonomisch ist ein Therapieverfahren, und brauchen wir es zusätzlich zur Versorgung der Versicherten?”), wodurch er teilweise zu anderen Resultaten gelangt. Konkret hat das gegenwärtig zur Folge, dass wie oben beschrieben die systemische Therapie und die wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie zwar wissenschaftlich durch den WBP anerkannt sind, aber nicht sozialrechtlich durch den G-BA. Es ist somit nicht möglich, die Therapie bei einem Therapeuten, der eine den gesetzlichen Richtlinien entsprechende Ausbildung in Systemischer Therapie gemacht hat, mit der Krankenkasse abzurechen. Bei der wissenschaftlichen Gesprächspsychotherapie liegt hierzu bereits ein ablehnendes Gutachten des G-BA vor, was von den verschiedenen Verbänden, allen voran natürlich den Interessenvertretern der wissenschaftlichen Gesprächspsychotherapie, höchst kritisch diskutiert wird. Zu den anderen Verfahren – sowohl zur systemischen Therapie als auch den Richtlinienverfahren – liegen noch keine Begutachtungen durch den G-BA vor! Für die Richtlinienverfahren hat der G-BA dies jedoch angekündigt. Die Zukunft wird zeigen, was das dann konkret für die drei Richtlinienverfahren bedeutet.